Schuhe? Geht’s noch?

Sinn und Unsinn von und mit Sportschuhen

Schuhe gehts noch_von Patrick Schütz (pdf-Version neu/aktualisiert)

Dieser Bericht ist eine «kurze» Einleitung in die Thematik «Schuhe» aus meiner persönlichen aktuellen Optik. Ein Gedankenanstoss, teilweise bewusst provokativ vorgetragen.

„Sprengung“ – man steht im Schuh wortwörtlich wie „am Hang“ (auch ohne Markus Werner).

Wir steigen anschaulich in die Thematik ein. In beinahe allen Schuhen steht die Ferse höher als der Fussballen. Man steht im Schuh leicht nach vorne geneigt, wie wenn man «am Hang» stehen würde – abwärts ins Tal blickend. Der Fachbegriff für die Differenz zwischen der Höhe der Sohle im Vorfussbereich und der Höhe der Sohle im Fersenbereich nennt man: Sprengung.

Den meisten wird das bisher nicht bewusst oder schlicht – bis zur Lektüre dieser Zeilen – egal gewesen sein. Das ist im Vergleich zu anderen, ernsthafteren gesundheitlichen Problemen zunächst auch nicht weiter besorgniserregend.

Man kann sich aber die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, «am Hang» zu stehen – insbesondere bei regelmässiger sportlicher Belastung – und was die mittel- bis langfristigen Folgen einer solchen Fussstellung sind. Den natürlicher Weise steht der Mensch flach auf dem Boden.

Quelle: http://runforefoot.com/running-shoes-heel-strike/ (besucht am 18. März 2019)

Eine solche Fussstellung („am Hang“) führt zu:

  • einer Mehrbelastung der vorderen Oberschenkelmuskulatur und der Patellasehne,
  • die Wadenmuskulatur muss in verkürzter Länge arbeiten (wenn man mit erhöhter Ferse steht, verkürzt sich die Distanz von Ferse/Achillessehne zu Knie),
  • der Muskel Soleus wird im Verhältnis zum Gastrocnemius verstärkt beansprucht,
  • der Rücken wird in eine stärkere Lordose-/Hohlkreuz-Haltung gebracht (Rückenschmerzen im Lendenbereich) (besonders augenfällig, wenn Frauen High-Heels tragen),
  • die Knie werden stärker belastet, was einen erhöhten Verschleiss des Knorpels im Kniegelenk (Arthrose) mit sich bringen kann,
  • die Belastung des Fusses verlagert sich auf den Vorfussbereich, wodurch ein Spreizfuss entstehen kann,
  • ein Schiefstand der großen Zehe (Hallux valgus) ist eine weitere unschöne Folgeerscheinung, die durch das Tragen von Schuhen mit erhöhter Ferse hervorgerufen werden kann.

Klingt doch irgendwie suboptimal, nicht? Und erklärt einige Sportlerkrankheiten (Achillessehnenbeschwerden, Wadenbeschwerden, Kniebeschwerden u.a.) und Alltagsbeschwerden (v.a. Rückenbeschwerden).

Eine grosse Sprengung, also eine Ferse die deutlich höher steht als der Fussballen beeinträchtigt beim Joggen/Sprinten auch eine Vorspannung der Wadenmuskulatur und der Achillessehne und damit ein federndes/reaktives Laufen. Sobald die Ferse den Boden berührt, was öfters vorkommt, wenn die Sohle an der Ferse dick ist, wird ein federndes/reaktives Laufen unterbrochen. Man kann sich das bildlich wie folgt vorstellen: Beim Joggen/Springen sollte die Achillessehne arbeiten wie eine Feder, an die man ein Gewicht hängt. Die Feder wird in die Länge gezogen und zieht sich wieder zusammen, wird in die Länge gezogen und zieht sich wieder zusammen usw. Das ist der Fall, wenn man natürlich auf dem Vor- und Mittelfuss läuft. Sobald die Ferse Bodenkontakt hat wirkt dies, wie wenn die Feder, die sich gerade in die Länge zieht, einen Schlag bekommt. Beim Fersenlauf schliesslich wird die eigentliche Funktionsweise von Achillessehne und Waden (das ökonomische, federnde Element) fast vollständig ausser Betrieb genommen. Der Laufapparat wird nicht in seiner natürlichen Arbeitsweise gefordert und degeneriert. 

Da wir im Alltag hauptsächlich Schuhe mit Absätzen tragen (Business-Schuhe und Frauen ohnehin sehr oft), wird in Sportschuhen gezielt die Ferse erhöht. Damit soll der Fuss und die durch das Tragen von Absätzen im Alltag verkürzte Wadenmuskeln vor Überbelastungen und Entzündungen „geschützt“ werden. Kein Sportartikelhersteller kann es sich erlauben, hauptsächlich flache Schuhe ohne Sprengung herzustellen, die beim grössten Teil der Bevölkerung zu gesundheitlichen Problemen führen würden. Man kommt also vom Regen in die Traufe. Weil wir im Alltag die falschen Schuhe tragen, wird das gleiche Übel im Sport fortgesetzt. 

Im Asics Gel-Kayano und Gel-Nimbus steht die Ferse bei den Frauenmodellen 13mm höher als der Fussballen (bei den Männern 10mm). Das sind 5,2% Schräglage! Man lege sich einmal barfuss ein 1,3cm dickes Brett unter die Füsse und überlege sich, wie sinnvoll es ist, so Sport zu treiben. Es gibt zwei Gründe für diese sinnlose Entwicklung. Der eine wurde bereits genannt: im Alltag tragen wir Schuhe mit erhöhter Ferse, wodurch unsere Wadenmuskulatur bereits verkürzt beansprucht wird. Der andere ist eine Erfindung eines Mitbegründers von Nike, dazu mehr später in diesem Bericht.

Weitere Zahlen zur Differenz zwischen der Dicke der Sohle in der Ferse zur Dicke der Sohle im Vorfussbereich (Sprengung):

  • Adidas Energy Boost: 10mm
  • Adidas Ultra Boost: 10mm
  • Adidas Supernova ST: 10mm
  • ON Cloudflyer: 7mm
  • ON Cloudflow: 6mm
  • Asics Gel Nimus 21: 10mm (Frauen 13mm)
  • Asics Gel Kayano 25: 10mm
  • Asics Tartherzeal: 10mm
  • Asics GT 2000 6: 10mm
  • Asics Gel DS Trainer 24: 8mm
  • Asics LyteRacer TS 7: 8mm
  • Asics Dynaflite: 8mm
  • Asics 451: 6mm
  • Brooks Ghost: 12mm
  • Nike Zoom Pegasus 34: 10mm
  • Nike Zoom Pegasus Turbo 2: 10mm
  • Nike Vaporfly 4% Flyknit : 10mm
  • New Balance Fresh Foam Zante Pursuit : 6mm
  • Saucony Kinvara 10: 4mm
  • Saucony Fastwitch 10: 4mm
  • Nike Free 3.0: 6mm
  • Nike Free RN Motion: 4mm
  • Nike Free 5.0: 8.5mm
  • Merrell Bare Access Flex 1/2: 0mm
  • Merrell Trail Glove 4/5: 0mm
  • Merrell Vapor Glove 3/4: 0mm
  • Vivobarefoot Primus Lite II: 0mm
  • Vivobarefoot Stealth : 0mm

Bei Frauen-Modellen ist die Sprengung in der Regel verhältnismässig grösser als bei den grösseren Männer-Modellen. Das erklärt sich wiederum daraus, dass Frauen im Alltag in der Regel höhere Absätze tragen als Männer.

Sprengung und Stehpult bzw. ganz allgemein „Stehen“

Die erhöhte Fersenposition in den allermeisten Schuhen ist der Grund, weshalb viele Menschen mit einem Stehpult nicht glücklich werden – obwohl es immer noch besser ist, ein Stehpult zu benutzen, als acht Stunden am Tag zu sitzen.

Wer mit erhöhter Fersenposition in den Schuhen am Arbeitsplatz steht, der steht in einer falschen Haltung. Man steht leicht in einer Hohlkreuzhaltung.

Während man also meint, sich mit einem Stehpult Gutes zu tun – was gegenüber Sitzen richtig ist – gehen die meisten den zweiten notwendigen Schritt nicht: nämlich dabei auch flach zu stehen, also barfuss, in Socken oder in Schuhen ohne Sprengung.

 

Ich steh am Arbeitsplatz in flachen Schuhen von vivobarefoot.ch (siehe Foto – ich erhalte keinen Sponsoringbetrag für diese Nennung). Und zusätzlich stehe ich von Zeit zu Zeit auf einem schrägen Brettchen, wobei der Fussballen höher steht als die Ferse. Dabei stehe ich also umgekehrt „am Hang“, aufwärts blickend. Seither kann ich stundenlang im Stehen arbeiten und mein Rücken zieht und schmerzt danach nicht mehr. Wunderbar, endlich.

Was hat sich die Natur dabei gedacht?

Der Fuss des Menschen besteht aus je

  • 26 Knochen (bzw. 28 je nach Definition),
  • 19 Muskeln und
  • 107 Sehnen/Bänder (wiederum je nach Zählweise etwas mehr).

Der Hominid geht etwa seit 1.85 Mio. Jahren aufrecht (homo erectus wird auf 1.8 bis 2 Mio. Jahre v. Chr. datiert). Rund 1’849’700 Jahre gingen unsere Vorfahren also praktisch barfuss bzw. später auf mit Textilien überzogenen Füssen durch die Welt.

Erst im 17. Jahrhundert n.Chr. kamen Schuhe mit Absätzen auf.

Allein der Apparat «Fuss» (inkl. Achillessehne/Wadenmuskulatur), mit welchem der Mensch «federnd» bzw. reaktiv (Energie speichernd und wieder abgebend) läuft, spart beim Rennen, je nach Studie, etwa 17% Energie gegenüber einem gleichartigen Apparat, der keinen Fussgewölbe/Achillessehne-Komplex hat (Liebermann, Mein Körper u.a.).

Folge der natürlichen Evolution ist eine Verbesserung der Energieeffizienz. Wer bei gleicher Leistungsfähigkeit weniger Energie verbrauchte oder bei gleichem Energieverbrauch leistungsfähiger war, überlebte.

Schimpansen haben 0.8cm lange Achillessehnen und lange Zehen. Der Mensch hat eine 15cm lange Achillessehne und kurze Zehen. Die Evolution hatte sehr lange Zeit, die Menschen zu aufrecht gehenden Lauf- und Rennmaschinen zu machen. 1.85 Mio. Jahre entsprechen rund 100’000 Generationen.

Unsere Füsse sind so konstruiert, dass wir kilometerlang auf natürlichem Untergrund laufen und rennen können. Das beweist nicht nur Abele Bikila der Olympiasieger von 1960 im Marathon, der Barfuss lief – trotz Asphaltbelag. Würde man den Boston Marathon auf Steppenboden verlegen, alle Kenianer könnten den Barfuss laufen – wage ich einmal zu behaupten.

Zu den evolutionären Hintergründen, wie wir zu den besten langstreckenlaufenden Lebewesen auf Erden wurden, verweise ich auf die Bücher und wissenschaftlichen Arbeiten am Ende dieses Artikels, insbesondere die Theorie von Prof. Liebermann. Dazu zwei leicht verständliche Videos mit dem Autor von „Born to run.“ Video 2

Kurz zusammengefasst: Als der Mensch (oder damals noch der Hominid bzw. der homo erectus) begann, sich aufrecht zu bewegen, war er eines der langsamsten Lebewesen (ein Eichhörnchen ist schneller als Usain Bolt), eines der schwächsten (wir unterliegen jedem Menschenaffen im Zweikampf), wir hatten keine Reisszähne und keine Schutzmechanismen (z.B. wie ein Nashorn oder Büffel). Effektive „Waffen“ der Menschen datieren erst auf die Zeit um 400’000 bis 200’000 v. Chr. Also hatten wir 1.4 Mio. Jahre „nichts“, um uns zu verteidigen und vermeintlich nichts um zu jagen, ausser ein wachsendes Hirn (und rudimentäre Steinwerkzeuge). Entscheidend für unser Überleben war die Fähigkeit, lange Strecken bei Hitze schneller laufen zu können als praktisch jedes andere Landlebewesen. Der Mensch hat eine überaus effektive Art, seine Körpertemperatur zu regulieren: Schwitzen. Und er besitzt einen effizienten Laufapparat auf nur zwei Gliedmassen. Deshalb ist der Mensch ab Strecken von 35km auch schneller als Wildpferde. Die Theorie von Liebermann geht dahin, dass der Mensch seine Beute (Antilopen, Kudu, Gnu etc.) über lange Strecken vor sich her Trieb, bis diese in der Hitze kollabierte. Diese Jagd wurde in den 90er Jahren noch von wenigen Stämmen in Afrika beherrscht. Dazu passt, dass Frauen zwar über kurze und mittlere Strecken und in der Maximalkraft den Männern deutlich unterlegen sind, der Vorsprung der Männer aber in Richtung der Marathon-Distanz kleiner wird. Bei bei Ultra-Marathons sind oft Frauen in den Top10 zu finden . Es nützte schliesslich wenig, wenn die Beute 30km entfernt von den Frauen erlegt wurde. Statistisch laufen die 64-jährigen dieselben Marathon-Zeiten wie 18-jährige (im Durchschnitt), was ebenso Sinn macht, wenn mehrere Generationen eines Stammes zusammen Jagd machten. Für eine ausführlichere Beschreibung verweise ich auf Kapitel 28 im Buch „Born to Run“, für die ganze Theorie auf „The Story of the Human Body“ von Professor David Lieberman (Literaturverweise am Ende dieses Beitrags).

Was hat sich der Mensch dabei nur gedacht?

Und was für Gedanken hatte der Mensch sich zu dem Thema Füsse gemacht? Ich beschreibe auszugsweise was auf Wikipedia – Schande über mein akademisches Ich – dazu zu finden ist (und die Sache nicht schlecht trifft):

Den Männern boten die Absätze die Möglichkeit, grösser und kriegerischer zu erscheinen, den Frauen verschaffte der Absatz aufgrund der dadurch veränderten Körperhaltung und Beckenstellung eine Betonung des Dekolletees und einen erotischeren Gang.

Was für eine grandiose Leistung der Menschen… Ego, Krieg und Sex.

Und die Sportartikelhersteller?

Dass Nike, Adidas, Asics und Co. nicht viel weiter dachten, als unsere Vorfahren im 17. Jahrhundert, sondern an ihren Gewinn, ist naheliegend.

Wir bewegen uns heute zunehmend auf Bodenbelägen, die nichts mehr mit denjenigen unserer Vorfahren gemein haben: Beton, Asphalt, Steinplatten, also Vieles was härter ist als Feld, Wald, Wiese und Steppe.

Der Ansatz, mit einer für Sport geeigneten Sohle unsere Füsse vor Beton und Asphalt zu schützen, der ist erstmal nicht schlecht. Diesen Ansatz verfolgten Sportschuhhersteller bis Ende der 60er Jahre. Sportschuhe waren flach. Keine Stützen, kein Schnickschnack. Man nehme dazu einfach ein paar Milimeter Gummisohle. Einverstanden.

Alles Weitere, also Stützungen, Dämpfungen, etc., ist, meines Erachtens, etwas provokativ verkürzt: der von den Herstellern erfolgreich verfolgte Ansatz, mit Schuhen, die in der Herstellung weniger als 10 Franken kosten, die Menschen glauben zu machen, man tue sich etwas Gutes – und dafür 200 Franken auszugeben.

Gutes Marketing und zu wenig aufgeklärte Menschen führen zu grossen Gewinnen der Sportartikelhersteller.

Der Mensch lässt sich gerne allerlei Gutes versprechen. Die Glückshormone strömen durch unseren Körper, wenn man sich etwas gekauft hat, egal ob die Sache sinnvoll ist – oder eben nicht.

Wir wollen es gerne glauben, dass die CHF 200.-, die wir für Schuhe ausgeben, sinnvoll investiert sind und wir glauben auch gerne, dass diese Schuhe «Probleme» beseitigen, wie Instabilität, Knieschmerzen etc.

Effektiv sind sie aber für unsere Probleme mitursächlich.

Nike wurde von Bill Bowermann und Phil Knight gegründet. Bowermann war Coach der University of Oregon. 1962 traf er in Neuseeland Arthur Lydiard, den vielleicht einflussreichsten Langstreckencoach aller Zeiten. Als er in die USA zurückkehrte schrieb er das Buch «Jogging» und erlangte damit erste Berühmtheit, indem er die Erfahrungen eines Trainerkollegen aufnahm und zu Geld machte.

Daneben forschte er an einem neuen Schuhdesign und erschuf den best gepolsterten Laufschuh, den es bis dahin gab, den Nike Cortez. Der geschickte Schachzug war aber nicht diesen Schuh zu erfinden, sondern dass damit ein neuer Laufstil propagiert wurde, der Fersenlauf.

Bis zu jenem Zeitpunkt lief man mit geradem Rücken, gebeugten Knie und die Beine wurden unter die Hüften gezogen. Die einzige Stossdämpfung war die Kompression der Beine und der Hüften. Bowermanns Idee war, die Schrittlänge zu erweitern, indem der Fuss weiter vor dem Körper aufgesetzt werde konnte. Dafür bedurfte es einer gedämpften Ferse. Das Marketing war brillant: man erschuf den Laufstil und den passenden Schuh und im Olympiajahr 1972 war man in einer Monopolposition. Der Rest der Erfolgsgeschichte der Marke Nike ist bekannt.

Die Meinung der Trainerlegende Arthur Lydiard zur Erfindung seines Kollegen Bowermann: „Wer ein paar Hundert Dollar für die neusten Hightech-Laufschuhe hinlegt, bekommt dafür keine Garantie, dass sich damit irgendeine dieser Verletzungen vermeiden lässt, es kann vielmehr garantiert werden, dass man sich auf die eine oder andere Art entsprechend verletzt.“

Das Marketing von Nike erreicht die hintersten Winkel der Erde. Diese Aussage von Arthur Lydiard – mangels Marketingbudget – nicht.

2001 wurde Nike von Vin Lananna damit konfrontiert, dass seine Läufer der Stanfort University und seines Farm Teams der Collegeabsolventen barfuss besser trainierten, als in den von Nike gesponserten Schuhen. Vin Lannana arbeitete 10 Jahre als Coach in Stanfort. Sein Team der Bahn- und Cross-Läufer wurde 5x NCAA-Champion, gewann 22 Einzeltitel und Lannana war auch NCAA Cross-Coach des Jahres. Drei von Lannanas Läufern waren Teilnehmer an Olympischen Spielen. Lanannas Meinung: „Die Schuhe (von Nike) hindern die Füsse daran, ihre natürliche Bewegung und Haltung einzunehmen, weil die Schuhe immer stärker unterstützt seien. Seine Athleten seien schneller im Barfusstraining und hätten weniger Verletzungen. Ich glaube, man überkompensiert, wenn man mit Schuhen all diese Korrekturen anzubringen versucht. Der Mensch ging jahrtausendelang ohne Schuhe. Ich bin der Ansicht, dass man das Risiko von Achillessehnen-, Knie- und Plantarsehnenbeschwerden reduziert, wenn man den Fuss durch Barfussgehen stärkt.“

Als man 2002 bei Nike langsam vom Barfussaufstand Notiz nahm, Bowerman war 1999 verstorben, wandte man sich wieder an Arthur Lydiard und der schimpfte: „Stützt man einen bestimmten Körperteil, dann wird er schwächer. Lauft barfuss, und erspart euch diesen Ärger. Schuhe, die den Fuss arbeiten lassen, als ob man barfuss wäre, dass sind für mich die richtigen Schuhe.“

Nike versuchte in der Folge herauszufinden, wie man mit nackten Füssen Geld verdienen kann. Das Ergebnis ist heute bekannt: «Nike Free – Lauf barfuss.»

Dass Nike aktuell wieder auf dem Holzweg ist, wird anschaulich, wenn man betrachtet, welche (entschuldigt) perversen Ausmasse die Fersendämpfung im neuesten Nike Free haben. Einen augefälligeren – und groteskeren – Eingriff in die Natur der Laufbewegung habe ich selten gesehen:

Marketing ist alles

Wenn Nike etwas perfekt beherrscht, dann ist es Marketing. Das beweist der aktuelle Hype um die mysteriösen Marathon-Race-Schuhe. Nike hat keinen Beweis, der wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, dafür, dass ihr Schuh „schnell“ ist. Sie haben nur schnelle Läufer unter Vertrag (praktisch alle).

Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen „Korrellation“ (das ist: Läufer X ist schnell und er trägt Nike Schuhe) und „Kausalzusammenhang“ (das ist: Läufer X ist wegen der Nike Schuhe schnell). Nike und alle anderen Sportartikelhersteller profitiert bei ihren Werbeversprechen davon, dass die meisten Menschen diesen Unterschied nicht verstehen.

Usain Bolt ist nicht toll, weil er Puma trägt, sondern Usain Bolt ist toll und er trägt Puma. Puma profitiert vom Glanz von Usain Bolt und wir kaufen Puma, weil wir etwas von diesem Glanz abhaben wollen.

Aber niemand käme auf die Idee, dass man mit Puma-Nagelschuhen schneller wird, weil Usain Bolt die trägt.

Und ganz nebenbei, Läufer aus Kenia haben die meisten Dopingfälle der letzten 10 Jahre in der Leichtathletik verbrochen. Nike sponsert auch einen Schmutzfink wie Justin Gatlin nach doppelter Dopingsperre weiterhin. Lance Armstrong…war auch Nike. Was denkt ihr, tut man beim „Nike breaking 2“-Projekt wohl nicht alles, damit endlich irgendjemand in Nike-Schuhen als erster den Marathon unter 2 Stunden läuft? Ich will’s gar nicht wissen. Da steckt so viel Geld dahinter. Nike kann sich 2 Dinge nicht leisten. 1. Dass der Kerl die 2 Stunden nicht schafft und 2. dass er wegen Doping gesperrt wird.

Was rät der Arzt – oder ist er auch nur am „raten“?

Wieso empfehlen uns Physiotherapeuten und Ärzte bestimmte Sportschuhe oder Einlagen? Das zu beantworten – und ich würde mich darauf einlassen – sprengt den Umfang dieses Artikels. Nur so viel: Die Kluft zwischen dem europäischen Büroangestellten und einem Läufer des Kalenjin Stammes in Kenia ist so gross, dass einem pragmatischen Mediziner in der Regel wenig Alternativen dazu bleiben, die Symptome des Patienten zu lindern.

Soll der Mediziner dem Patienten ernsthaft raten:

  • abzunehmen bis zu einem BMI eines Kenianers,
  • täglich 5km barfuss zu laufen und zu joggen,
  • sich ausschliesslich von Naturprodukten zu ernähren,
  • nie mehr in einem Bürostuhl zu sitzen
  • u.v.m. (und das am besten rückwirkend ab dem 3. Lebensjahr

Das wäre bei 99% seiner Patienten relativ sinnfrei. Deshalb verschreibt er Physio, Schmerzmittel und Ruhe – und gedämpfte Schuhe und Einlagen.

Den meisten Ärzten fehlt schlicht das Interesse und/oder das Wissen und/oder die Zeit, sich mit der Frage zu befassen, was braucht ein Mensch, damit er sich nachhaltig gesund bewegt. Das übersteigt schlicht den Ausbildungshorizont der meisten Ärzte. Das ist keine reine Behauptung meinerseits. Das bestätigen mir renommierte Ärzte.

Wieso entwickelt ein Stabhochspringer eine Achillodynie und wie bekommt er das wieder in den Griff? Diese simple Frage konnte in meiner 20-jährigen Karriere niemand so umfassend beantworten, wie ich es heute kann. Jeder Mediziner hatte nur einen Bruchteil „gewusst.“ Am Ende muss der Athlet sich diese Puzzleteile zusammensetzen. Ist er dazu nicht interessiert genug oder intelligent genug, wird er während seiner gesamten Karriere medizinische Betreuung benötigen oder schon sehr bald „verletzt“ aufgeben.

Denkanstoss

Moderne Sportschuhe sind im besten Fall ein gewinnorientierter Versuch, Menschen zu helfen, die sich nicht mehr so bewegen, wie der Mensch vor 100’000 Jahren, nämlich nicht mehr kilometerlang gehend und rennend, sondern sitzend, hängend, chillend, dazwischen in Schuhen mit Absätzen gehend und dann wieder sitzend, hängend, chillend.

Die Schuh-Industrie ist nicht „das Böse.“ Viele Menschen würden sich ohne «geeignetes» Schuhwerk gar nicht mehr bewegen und viel eher an den Folgen des Bewegungsmangels sterben (Diabetes etc.), als an schmerzenden Gelenken.

Mein Denkanstoss geht dahin, euch (v.a. die jungen Athleten) anzuregen, euch Gedanken zu machen, was ihr beachten könnt, damit ihr nicht in 30 Jahren ein künstliches Gelenk braucht oder mit 50 Jahren nicht mehr joggen könnt. Sportschuhe bekämpfen Symptome (Schmerzen, Fehlstellungen u.a.) und sind dabei – wie jedes gewöhnliche Schmerzmittel auch – nicht frei von Nebenwirkungen. Die Nebenwirkung eines gestützten Schuhs beispielsweise ist die weitere Abschwächung der Fussmuskulatur.

Joggen wird für Menschen, die beispielsweise einen gestützten Schuh empfohlen erhalten haben, kurz- und mittelfristig wieder möglich. Langfristig aber ruft der Orthopäde zum Termin. Stützen des Fussgewölbes sind wie ein Gips, der die Funktionalität des Fussgewölbes einschnürt und ausser Betrieb setzt. Der Fussapparat verkümmert weiter. Ich kann das aus eigener Erfahrung bestätigen. Ich hatte Einlagen von zwei (sehr) namhaften Anbietern. Insbesondere das zweite Paar Einlagen war der letzte Nagel im Sarg meiner Achillessehne. Die Einlage war innenseitig stark gestützt, dadurch war mein Fuss nicht mehr «instabil», aber: Ohne die Funktionalität des Fussgewölbes musste wer wohl die ganzen Schläge alleine auffangen? Die Achillessehne. Bingo. Die wurde dann auch operiert.

Es gibt zwei Problemgruppen: Die eine sind Sportler, die sich so intensiv bewegen, dass selbst eine leichte «Fehlstellung» in Sportschuhen oder eine Fehlfunktion eines Sportschuhs, die Gesundheit beeinträchtigt. Die andere sind Menschen, die sich im Alltag so unnatürlich bzw. nicht mehr wie von der Natur veranlagt verhalten (Sitzen, Übergewicht, Muskeldysbalancen etc.), dass ihnen selbst Sportschuhe nicht mehr helfen, weiter schmerzfrei einen Sport auf zwei Beinen betreiben zu können. Das macht sich dann in den Füssen oder ein Gelenk höher in den Knien oder in den Hüften oder im Rücken bemerkbar, je nachdem, wo der individuelle Schwachpunkt aufgrund der Lebensweise dieses Menschen ist.

Wissenschaft

Es gibt keinen Beweis, dass Laufschuhe in irgendeiner Form zur Verletzungsprävention beitragen
(Dr. Craig Richards, University of Newcastle, British Journal of Sports Medicine, 2009:
OBJECTIVES: To determine whether the current practice of prescribing distance running shoes featuring elevated cushioned heels and pronation control systems tailored to the individual’s foot type is evidence-based. RESULTS: No original research that met the study criteria was identified either directly or via the findings of the six systematic reviews identified. CONCLUSION: The prescription of this shoe type to distance runners is not evidence-based).

Dr. Richards hatte die Schuhhersteller vor dieser Studie angefragt, ob sie behaupten und belegen könnten, dass das Tragen ihrer Schuhe die Leistungen bei Langstreckenläufern verbessern würden und laufbedingte Verletzungen vermindern könnten. Richards erhielt keine Antworten der Schuhhersteller.

Es gibt hingegen sehr viele wissenschaftliche Indizien, dass der Mensch barfuss weniger Verletzungen erleidet als mit Schuhen, immerhin hat er damit einige hunderttausend Jahre gut gelebt, als er noch stärker auf den Körper angewiesen war wie heute – ohne Medizin.

Dr. Bernhard Marti von der Universität Bern hat bereits in den 80er Jahren am Berner Grand-Prix eine detaillierte Studie zu den Trainingsgewohnheiten und dem Schuhwerk der Läufer durchgeführt. 45% der Teilnehmer waren im Jahr vor dem Lauf verletzt gewesen. Welcher Faktor korrelierte mit der Verletzungswahrscheinlichkeit? Es war nicht der Untergrund, auf dem die Läufer trainierten, nicht das Tempo, nicht das wöchentliche Pensum, nicht das Körpergewicht oder die medizinische Vorgeschichte, es war tatsächlich: Der Preis der Schuhe. Läufer mit Schuhen über 95 Franken hatten ein doppelt so grosses Verletzungsrisiko, wie Läufer mit Schuhen unter 40 Franken.
On the epidemiology of running injuries: The 1984 Bern Grand-Prix study, Marti B, Vader JP, Minder CE, et al. On the epidemiology of running injuries: the 1984 Bern Grand-Prix study. Am J Sports Med 1988; 16: 285-94

Nachfolgestudien kamen zu ähnlichen Ergebnissen.
Is your prescription of distance running shoes evidence-based? Richards CE1, Magin PJCallister R. Br J Sports Med. 2009 Mar;43(3):159-62.

Eine Dämpfung mildert das Total der Aufprallkräfte nicht. Man kann ein Ei in einen Handschuh legen, das Ei wird trotzdem kaputt gehen, wenn man mit Wucht draufschlägt. Nichts anderes ist eine Landung auf der Ferse.

Der Effekt gedämpfter Schuhe ist mit der Landung auf Turnmatten zu vergleichen. Je weicher die Matte, desto härter und mit mehr Spannung landet der Turner, weil er nach Stabilität sucht. Je härter die Matte, desto mehr federt er in seinen Gelenken nach. Der Boden ist stabil.

Barfuss werden auf Messplatten die geringsten Aufprallkräfte gemessen, mit gedämpften Laufschuhen die höchsten, insbesondere in horizontaler Richtung also in Laufrichtung. Das bedeutet nichts anderes, als das auf die Knie Scherkräfte wirken. Es überrascht nicht, dass die meisten «Hobbyläufer» im Verlauf ihrer Aktivitäten irgendwann über Knieprobleme zu klagen beginnen (Patella, Meniskus, Schleimbeutelentzündungen, Arthrose u.a.).

Das Herzstück des Fusses ist das Fussgewölbe. Ein Bogen der sich bei Belastung versteift. Je stärker die Belastung, je fester schliessen sich die Teile zusammen. Kein Brückenbauer, der bei Trost ist, würde eine Bogenbrücke in der Mitte stützen. Stützt man einen Bogen von unten, werden die Kräfte, die einen Bogen erhalten «gebrochen».

Wird der Mechanismus des Fussgewölbes, die Vorwärtsbewegung und die seitliche Rotation aufzunehmen, zu speichern und zurückzugeben, ausser Kraft gesetzt, ist die Folge, dass der Komplex Ferse-Achillessehne-Wade stärker belastet wird und der Fuss nicht mehr natürlich «rollt.»

Alain Webb lief 2007 US-Rekord über 1500m und Weltjahresbestzeit. Webb hatte vor seiner Laufkarriere Schuhgrösse 46 und Plattfüsse. Nach viel Barfusstraining war er bei Schuhgrösse 42 bis 43. Sein Fussgewölbe war wieder instand gestellt.

Die Zeitschrift Runner’s World überraschte 2008 mit dem Eingeständnis, dass sie ihre Leser jahrelang versehentlich in die Irre geführt hatte, indem sie Läufern mit Plantarsehnenentzündung korrektiv wirkende Spezialschuhe empfahl: Aber die neuere Forschung habe gezeigt, dass stabilisierende Schuhe bei einer Plantarsehnenentzündung vermutlich keine Abhilfe schaffen und die Symptome sogar verschlimmern können.

Füsse sind nie per se zu schwach, sonst wären wir als einziger zweibeiniger Nachfahre der Affen ausgestorben. Vielmehr sind wir heute zu schwer, zu faul und tragen zu oft gedämpfte und gestützte Schuhe mit erhöhter Ferse.

Wer sein Heil in gestützten Schuhen und Einlagen sucht, darf sich nicht wundern, wenn daraus wiederum (neue) Probleme resultieren.

Umweltprobleme werden auch nicht gelöst, indem man beim Fliegen Klimarappen bezahlt. Vielmehr verdienen dabei die Fluglinien, ohne dem Problem entgegenzuwirken, wie Sportschuhersteller Geld verdienen, ohne ein Problem zu lösen, sondern in dem sie (neue) Probeme befördern. Statt das jemand abnimmt, weniger sitzt, sich gesund ernährt, kauft er sich tolle, teure Laufschuhe und meint, er laufe damit beschwerdefrei einen Marathon.

Füsse bzw. deren Muskulatur leben von der Belastung, die sie stärkt

Pronation ist kein Problem, sondern Teil der natürlichen Laufbewegung. Wer barfuss auf hartem Grund joggt, merkt wie der Fuss automatisch auf der Aussenseite aufsetzt, dann nach innen abrollt, bis der Fuss ganz aufliegt, um danach wieder über die Aussenseite abzustossen.

Pronation ist nebst dem Waden/Achillessehnenkomplex der in Laufrichtung wirkt, die zweite bewegliche Einheit, quer zur Laufrichtung, welche die Kräfte aufnimmt (die Fusswölbung funktioniert auch hier als elastisches Dämpfungs- und Energiespeicherelement) und wieder abgibt.

Wer Laufschuhe trägt, insbesondere innenseitig gestützte Laufschuhe, schwächt diesen Mechanismus ab.

Das führt wiederum dazu, dass der Arzt, Physiotherapeut oder Schuhverkäufer feststellt, dass man eine zu starke Pronation habe (Überpronation), worauf er einem wiederum gestützte Schuhe oder sogar Einlagen empfiehlt.

Das wäre als würde man jemandem den Arm eingipsen, nach zwei Monaten feststellen, dass die Muskulatur massiv abgenommen hat und ihm dann zum Schutz den Arm wieder eingipst, weil er nun zu schwach scheint.

Ein Teufelskreis, wenn man nicht versteht, dass die Lösung darin besteht, die Fussmuskulatur wieder aufzubauen, eben gerade ohne Stützung des Gewölbes. Und selbstverständlich stufenweise und nicht von Tag 1 auf Tag 2. Das braucht Geduld und ein gewisses Mass an Interesse an der eigenen Gesundheit. Genau das haben 95% der Menschen nicht, werfen eine Schmerztablette ein, pausieren eine Woche und laufen danach munter in gedämpften, gestützten Schuhen in die nächste Verletzungspause. Wenn Sie bis hierher gelesen haben, besteht die Möglichkeit, dass Sie zu den anderen 5 % zu zählen sind.

Übrigens Laufschuhe können eine Überpronation auch auslösen. Wenn man bei einer Laufanalyse feststellt, dass jemand barfuss ohne Überpronation, also mit normaler Pronation läuft und erst mit einem Laufschuh zu stark nach innen knickt, dann ist das nicht sehr aussergewöhnlich. Denn in Schuhen setzt der Fuss bei der Aussenkante der Schuhsohle auf und dieser Punkt ist bei der Schuhsohle etwa 1 bis 2cm weiter aussen als die «menschliche» Fussaussenkante. Dadurch entsteht beim Abkippen über die Schuhaussenkante eine Rotationskraft, die eine Überpronation bewirken kann. Wenn man dann sogleich, um das neuentdeckte Problem «Überpronation» zu beheben, zu gestützten Schuhen greift, hat man etwa dasselbe getan, wie jemand der zunächst eine Sonnenbrille aufsetzt, um dann festzustellen, dass er nicht mehr genug sieht und der schliesslich deshalb das Licht anzündet. Man sollte gescheiter so lange «natürliche Schuhe» suchen, bis man bei einer Laufanalyse keinen Unterschied mehr zum Barfusslauf feststellen kann.

 

Wir Leichtathleten als Spezialfall

Wenn also der Arzt dem Gelegenheitsjogger zu einem Schuh rät, der wie seine Alltagsschuhe eine erhöhte Ferse hat und die etwas gestützt sind, ok… Wie gesagt, bevor diese Person gar nicht mehr Joggen geht, lieber so.

ABER: Wenn ein Arzt einem Leichtathleten dasselbe rät, dann frage ich einfach mal zurück:

Wenn dieser Athlet, aus Sicht des Arztes, gestützte oder gedämpfte Schuhe „braucht.“ Wie soll dieser Athlet je wieder Nagelschuhe beschwerdefrei tragen könne?

Nagelschuhe haben praktisch keine Sprengung, Nagelschuhe haben keine Dämpfung, Nagelschuhe haben keine Stützung und Nagelschuhe haben zusätzlich eine harte Plastiksohle/-platte, die den Fuss in irgendeine, aber höchstwahrscheinlich keine orthopädisch unbedenkliche Position, zwingt.

Damit man in Nagelschuhen über längere Zeit beschwerdefrei bleibt, muss der Fuss schon sehr gut funktionieren und das tut er gerade nicht, wenn der Fuss so schlecht funktioniert, dass man gestützte und gedämpfte Schuhe benötigt.

Wer solche gestützten, gedämpften Schuhe benötigt, sollte schlicht nicht mehr in Nagelschuhen laufen, bis er es wieder geschafft hat, beschwerdefrei in minimalen Schuhen (maximal 15mm Sohle, ohne Sprengung) zu trainieren.

Jeder der während der Saison, wenn er am häufigsten und unter intensivster Belastung Nagelschuhe trägt, Achillessehnenprobleme bekommt, sollte seine Leidensgeschichte einmal auf meine Ausführungen in diesem Abschnitt hin überprüfen.

Nebenbei, wer kennt jemanden, bei dem die Achillessehnenprobleme einmal begonnen haben und der das Problem wieder losgeworden ist, ohne sein Trainings- und Leistungsniveau aufzugeben? Nur die wenigsten schaffen das.

Die meisten werden ihre Probleme nicht los, weil sie klassisch behandelt werden – mit Massnahmen, die den Fuss weiter schwächen.

 

Ferse – „Abrollen“

Ein weiteres, anschauliches Beispiel, dieses Mal für das normale Gehen sowie für die Gruppe der Fersenläufer (das ist die Gruppe, die durch gedämpfte Schuhe erst seit den 70er Jahren entstehen konnte):

Durch Schuhe verändert sich der Dreh-/Abrollpunkt an der Ferse. Barfuss würde der Fuss direkt an der Ferse abrollen. Durch Schuhe verschiebt sich dieser Drehpunkt um 2-4cm nach unten (von der Ferse aus betrachtet) und um 1-2cm nach hinten. Der Fuss setzt also ganz woanders auf, als es die Natur vorgesehen hat. Das Abrollen wird eher zum Abkippen oder Abklappen über das hintere Ende des Schuhs als neuer Drehpunkt – und darauf ist der Körperbau evolutionär nicht ausgerichtet. Es kommt zur Fehlbelastung.

Quelle: http://runforefoot.com/running-shoes-heel-strike/ (besucht am 18.März 2019; bearbeitet durch den Autor)

Die Fersenhöhe im Nike Air Zoom Pegasus beträgt 34,4mm. Das entspricht einem Buch mit ca. 800 Seiten. Bei Lichte betrachtet erscheint es doch sonderbar, sich beim Sport 3.5cm Schaumstoff unter die Füsse zu schnallen, nicht?

Weitere Zahlen zur Fersenhöhe:

  • Saucony Kinvara: 28,7 mm
  • Brooks Green Silence, 31,1mm
  • Asics Gel Hyper-Speed: 25,1mm
  • Asics GT 2000 6: 22mm

Dazu ein weiteres eindrückliches Bild. Die Unterschiede in der Höhe und der Form der Ferse sind offensichtlich:

Asics GEL GT 2000 4,

         Asics Gel DS Trainer 23,

                                Merrell Bare Access Flex 2,

                                                       Merrell Trail Glove 4,

                                                                            Merrell Vapor Glove 3

                                                                                   und nochmals Asics GT 2000 4.

Augenscheinlich wird die Problematik, wenn man Athleten der Alterskategorien U14/U16 beobachtet. Einzelne tragen Schuhe, die wie klobige Fremdkörper an dünnen Beinen schwingen. Der Fussaufsatz wirkt wie ein «Pflotsch», «Pflotsch» oder ein «Pflapf», «Pflapf». Der Turnschuh wird flach auf den Boden geschleudert oder gestampt. Barfuss würden diese Kinder ganz anders laufen. Jugendliche (U16) kommen manchmal bereits mit einem so schlechten Laufstil daher (wegen der Schuhe und wegen des zu langen Sitzens im Alltag), dass man effektiv grosse Mühe hat, wenn man versucht, noch einmal Leichtathleten aus ihnen zu machen. Nicht von ungefähr kommt ein überproportionaler Anteil der Top-Leichtathleten (und augenfällig auch im Fussball) aus Weltregionen, in denen man sich lange natürlich bewegt (Afrika, Mittelamerika, klimatisch warme, ärmere und bildungsschwache Regionen).

 

Abknicken

Haben Sie sich schon einmal barfuss den Knöchel verstaucht?

Betrachten Sie das nachfolgende Bild. Der Knöchel an der Aussenseite befindet sich barfuss etwa 7.5cm über dem Boden. Mit Asics Gel-GT 2000 ist der Knöchel rund 10cm über Boden und der Knöchel knickt über die Aussenkante des Schuhs. Welche Kräfte dabei wirken, wenn ich auf dem Foto mit dieser Stellung landen würde, lässt sich schmerzvoll erahnen. Der Knöchel könnte frei bis auf den Boden durchknicken. Auf dem rechten Foto zum Vergleich ein Abknicken barfuss. Je weniger Höhe ein Schuh hat, desto geringer die Kräfte, die wirken, wenn man mit dem Fuss einmal falsch auftritt.

Die Distanz vom Knöchel bis zum Boden erhöht sich beim linken Foto um ca. 25%. Ich verweise auf das Hebelgesetz. Und es wird noch schlimmer. Während man barfuss über die eigene Ferse knickt, die selbst nur etwa 5cm breit und vor allem rund ist, knickt man in einem Turnschuh über die Aussenkante, die einige Zentimeter breiter ist (siehe Foto). Der Hebel der nun auf die Bänder wirkt, ist brutal.

Auch hier sei auf die Evolution verwiesen. Ein verstauchter Knöchel, ein Bänderriss oder ein Fussbruch bedeuteten für unsere Vorfahren je nach Zeitalter eine ernstzunehmende Lebensgefahr oder das Todesurteil. Aus der Evolution ist eine Fusskonstruktion hervorgegangen, die möglichst nicht abknickt. Die Schuhindustrie wirkt dem erfolgreich entgegen.

Schuhe schaffen also grosse Gefahren für unsere Bänder, Knorpel und Knochen.

Basketballschuhe und Wanderschuhe beispielsweise versuchen diese Problematik zu lösen, indem der Fuss bis über die Knöchel gestützt wird. Das ist grundsätzlich ein durchdachter Ansatz. Aber die Funktionalität des Fusses ist damit natürlich nicht mehr ganz die gleiche. In stabilen Wanderschuhen wird niemand Joggen, Hürdenlaufen oder Unihockey spielen wollen und in Basketballschuhen wird niemand einen langen Waldlauf machen (oder Stabhochspringen).

 

Weltklasseathleten – natürliche Bewegungen

Blickt man nun auf die Weltklasse der Leichtathleten, was beobachtet man da? Immer wieder mal zieht es einem Mittel- oder Langstreckenläufer die Schuhe während des Wettkampfes aus. Was passiert dann? Nichts. Ausser dass der Reporter ausser Rand und Band gerät, weil der Athlet praktisch gleich schnell ist barfuss. Kein Wunder, wenn Sie den Text bis hierhin verstanden haben.

Dem Athleten werden nur die Füsse schmerzen, weil Tartan nicht Wald-/Steppenboden ist. All die Top-Athleten, können gut ein Training barfuss auf einer Wiese absolvieren. Schuhe brauchen diese Athleten für den Halt. Dämpfung ist nicht das Thema, oder sehen Sie auf Youtube und Instagram Dreispringer in gedämpften Schuhen ihre Sprungfolgen in die Sandgrube trainieren? Ich nicht. Diese Athleten bewegen sich elegant, leichtfüssig…. Leichtfüssig kann man sich nur bewegen, wenn der Fuss noch funktioniert. Nochmals zur Erinnerung 26 Knochen, 19 Muskeln, 107 Bänder/Sehnen. Der menschliche Fuss beim Rennen steht an evolutionärer Eleganz einem Gepard oder einem galoppierenden Wildpferd in nichts nach.

Viele der Nicht-Top-Athleten «verstecken» sich auch – wohl meist unbewusst oder unwissend – hinter gedämpften und/oder gestützten Turnschuhen. Sie können gar nicht mehr barfuss. Sie betrügen sich selbst damit, dass sie weiter in solchen Turnschuhen trainieren, obwohl sie eigentlich wissen oder wissen müssten, dass die Kraftentfaltung in Nagelschuhen nicht (schmerzfrei) funktionieren wird. Im schlimmsten Fall verlagern sie dann noch – weil sie nicht einfach nur herumsitzen wollen – ihr Training in den Kraftraum, stärken die Beinmuskulatur und schaffen dadurch eine noch grössere Dysbalance zwischen starken Oberschenkeln und schwachen Füssen.

 

Was nun? Beziehungsweise was tun?

Gesund leben. Dazu gehören dünne Schuhe ohne Absätze und ohne Stützung. Ich lege in meiner Trainingsgruppe grossen Wert auf die Wahl der Schuhe und wir trainieren oft bzw. sehr viel öfter als andere barfuss. Welchen Sinn macht es, Trainingsprogramme perfektionieren zu wollen und Stunden um Stunden auf dem Leichtathletik-Platz zu stehen, wenn so etwas Grundlegendes wie die Schuhe völlig vernachlässigt würden? (In die gleiche Kategorie fällt die Thematisierung von Schlaf und Ernährung durch den Coach).

Ich investiere nicht meine kostbare Zeit, wenn meinen Athleten Schaden vom Schuhwerk droht.

(Dass sie als Folge unsäglich frühen Schulbeginns abends müde ins Training kommen, obwohl praktisch jede Studie über Chronobiologie aussagt, die Schule soll bei Jugendlichen nach 9 Uhr beginnen, konnte ich leider noch nicht ändern.)

Ich bin auch schon mal zum Spass mit knapp 30m Anlauf barfuss Stabhoch gesprungen, in St. Gallen in der Halle. Ein Video davon findet man auf Youtube. Das ging dort etwas besser als auf normalem Tartan, weil der Tartan auf Aussenanlagen die Fusssohle doch ein bisschen in Mitleidenschaft zieht. Deshalb ist auch gegen eine flache Sohle zum Schutz der Fusssohle nichts einzuwenden.

Bei den Schuhen lege ich wert darauf, dass die Ferse möglichst nicht höher ist als der Fussballen. Das ist nicht einfach. Selbst der ASICS Gel-DS-Trainer, der 10 Jahren mein steter Begleiter war, hat diesen Makel (früher 10mm, aktuell noch 8mm). Ich habe mich deshalb von Asics-Schuhen verabschiedet.

Fündig geworden bin ich schliesslich bei der Marke Merrell und dem Modell Bare Access Flex, mit einer durchgehend 14,5mm dünnen Sohle, null Sprengung, null Stützung. Wer mit diesem Schuh nicht sprinten und springen kann, weil der Schuh zu wenig gedämpft ist, sollte sich Gedanken darüber machen, wie es mit ihm mit 40, 50 und 60 Jahren stehen soll, wenn er weiter Sport treibt. Dieses Modell ist meines Erachtens der ideale Einstieg weg von klassischen Sportschuhen, hin zu gesunden Sportschuhen. Wer direkt auf Barfussschuhe umsteigt, wird eine Überlastung provozieren.

Ich trage Merrell-Schuhe auch in der Freizeit, weil ich da einerseits nicht ständig barfuss laufen kann (sähe etwas befremdlich aus in der Altstadt oder beim Einkaufen).

Weiter trainieren wir mit dem noch „natürlicheren“ Merrell Trail Glove. Das ist noch nicht ein „Socken“, aber eine veritable zweite Gummihaut (11,5mm Sohle), kommt einem vor, wie wenn der Fuss Autoreifen bekommen hätte.

Schliesslich trainieren wir auch im Merrell Vapor Glove, dessen Sohle nur noch 3mm misst. Da spürt der Fuss die Natur wieder, wenn er durch den Wald huscht. Meine Athleten springen damit Stabhochsprung bis und mit 20/25m Anlauf und laufen damit Sprints und Hürden.

Merrell Bare Access Flex 2 (Ferse/Ballen): 14.5/14.5mm; Fussbett: 0mm; Innensohle: 3mm; Mittelsohle: 8/8mm; Außensohle: 1.5mm, 2mm Profil

MERRELL Trail Glove 5 (Ferse/Zehe): 11,5/11,5 mm; Innensohle: 3 mm; Zwischensohle: 4/4 mm; Sohle: 1,5 mm Gewebe, 3 mm Profil

Aber ACHTUNG: Wer sich auf diesen (empfehlenswerten) Pfad begeben möchte, dem sei der folgende Rat mit auf den Weg gegeben:

An solche Schuhe (Merrell Bare Access Flex, Merrell Trail Glove, Merrell Vapor Glove) muss man sich zuerst gewöhnen, wenn man bis anhin übliche Sportschuhe mit einer Sohle von 25-35mm getragen hat. Bei der Verwendung von leichten, flachen Schuhen mit geringer oder keiner Sprengung kann rasch eine Überlastung resultieren bzw. ist bei einem abrupten Modellwechsel sogar vorprogrammiert, weil unsere Füsse nicht daran gewöhnt sind (insbesondere die Bänder und Sehnen; alles was auch bei einer Verletzung nur langsam oder fast gar nicht heilt, hat länger sich an neue Verhältnisse anzupassen). Wer von einem Tag auf den anderen umstellt, wird mit grösster Wahrscheinlichkeit im Wartezimmer eines Arztes landen (der ihn dann vermutlich zurück auf den vermeintlichen Pfad der Tugend mit gestützten Schuhen und Einlagen bringen wird). Ein übergangsloses Verzichten auf Absätze kann zu Achillessehnenentzündung und Überreizung der Fusssohlen führen.  

Ich empfehle für den Übergang auf Schuhe ohne Sprengung und richtig dünne Schuhe  mindestens 3 Monate einzuplanen. Meine Athleten im Alter von 18 bis 22 Jahren haben den Wechsel problemlos gemeistert. Ich mit etwas mehr Jahren auf dem Buckel bin nach 3 Monaten noch dran, aber es macht riesig Spass mit 3mm Sohle 8km durch den Wald zu joggen. Die Wanderer hören einem kaum, wenn man sich von hinten anpirscht, die Kieselsteinchen massieren einem die Fussreflexzone gratis und beim Sprinten auf Tartan fühlt man sich wie eine geschmeidige Katze und nicht mehr wie ein wild gewordener Büffel.

 

Schlusswort

«Der Barfussgänger empfängt einen ständigen Informationsfluss über den Boden und seine eigene Beziehung zu ihm, während ein beschuhter Fuss in einer unveränderlichen Umgebung schläft.»

Dr. Paul W. Brand, Leiter der Rehabilitationsabteilung am U.S. Public Health Service Hospital in Louisiana und Professor für Chirurgie an der Louisiana State University.

 

Zusammengefasst plus/minus Schuhe

+ Schutz der Haut

+ Schutz vor (zu) harten Belägen (Asphalt ist nicht = Waldboden)

+ gestützte und/oder gedämpfte Schuhe helfen Menschen, die sonst gar keinen Sport mehr treiben könnten

– grosses Verletzungspotential bei seitlichem Abknicken

– Abschwächung der Fussmuskulatur

– man steht «am Hang»/abwärts (Sprengung), was zu Veränderungen der gesamten Statik bis zur Wirbelsäule führt.

 

Meine Empfehlung

  • Trainiert so oft barfuss wie möglich und sinnvoll
  • Keine oder minimalste Neigung im Schuh (Sprengung 0 bis maximal 4mm)
  • Sohle so dick wie notwendig, so dünn wie möglich (z.B. Merrell Bare Access Flex mit 14,5mm)
  • möglichst keine Stützungen im Schuh
  • eine solche Umstellung langfristig (mind. 3 Monate!) planen und in verschiedenen Schuhen unterschiedlicher Bauart laufen.

Literaturhinweise / -quellen

Abschliessend der Verweis auf einige interessante Bücher und Fachartikel zur Thematik. Das Buch von Professor Lieberman sei als gesamtheitlicher Überblick (Körperbau, Schuhe, Sitzen, Ernährung u.v.m.) ans Herzen gelegt. Auf seiner Homepage der Universität Harvard gibt es viel zu entdecken zum Thema Laufen, wie auch zum Thema Schultern/Werfen.

Ready to Run, Kelly Starrett, T.J. Murphy, riva-Verlag, 2017 (im Original: Ready to Run: Unlocking Your Potential to Run Naturally, Victory Belt Publishing 2014)

Unser Körper, Daniel A. Lieberman, Fischer Verlag, 2018 (im Original: The Story Of The Human Body, Penguin Books, 2013)

Born to Run, Christopher McDougall, Heine Verlag, 2010 (im Original, Born to Run, Profile Books, 2010), Kapitel 25 und 28

Prof. Lieberman (https://scholar.harvard.edu/dlieberman/research):

Variation in Foot Strike Patterns among Habitually Barefoot and Shod Runners in Kenya.
Daniel E. Lieberman, Eric R. Castillo, Erik Otarola-Castillo, Meshack K. Sang, Timothy K. Sigel, Robert Ojiambo, Paul Okutoyi, and Yannis Pitsiladis. 2015. PLoS ONE, 10, 7, Pp. e0131354.

What We Can Learn About Running from Barefoot Running: An Evolutionary Medical Perspective.
Daniel E. Lieberman. 2012. Exercise Sport Science Review, 40, 2, Pp. 63-72

Effects of Footwear and Strike Type on Running Economy.
Daniel P. Perl Adam I. Daoud, Daniel E. Liebermann. 2012. Medicine & Science in Sports & Exercise, 44, 7,  Pp. 1335-43.

Foot strike patterns and collision forces in habitually barefoot versus shod runners,
Daniel E. Lieberman, Madhusudhan Venkadesan, William A. Werbel, Adam I. Daoud, Susan D’Andrea, Irene S. Davis, Robert Ojiambo Mang’Eni & Yannis Pitsiladis, NATURE Vol 463 28 January 2010

Foot Strike and Injury Rates in Endurance Runners: A Retrospective Study.
Adam I. Daoud, Gary J. Geissler, Frank Wang, Jason Saretsky, Yahya A. Daoud, and Daniel E. Lieberman. 2012. Medicine & Science in Sports & Exercise, Pp. 1325-1334

The effect of running shoes on lower extremity joint torques.
Kerrigan DC, Franz JR, Wilder RP, et al. The Effect of running Shoes on Lower Extremity Joint Torques. PM R. 2009 Dec;1(12):1058-63