Wer ist verantwortlich für das: Was, Wann, Wie, Warum?
Nachfolgend eine graphische Darstellung, wie die Entwicklungskurve eines Athleten, hin zur Selbständigkeit meiner Meinung nach sein sollte. Wie dargestellt sollte sich das Verhältnis von einer anfänglichen Leader-Rolle des Trainers zur Leader-Rolle des Athleten entwickeln.
Als Zweites, ein Beispiel eines Athleten, der daran scheitert/es verpasst hat, ein selbständiger Sportler zu werden.
Dieser Athlet bleibt abhängig von seinem Trainer und es besteht die nahe Gefahr, dass er dadurch sein Potential nie wird ausschöpfen können.
Der Kurvenverlauf ist typisch für eine Athleten-Trainer-Beziehung, in der zwei Dinge zusammentreffen:
Erstens, ein Athlet der auf Anweisungen und Instruktionen seines Trainers angewesen ist und bleiben wird.
Dieser Athlet hat nie damit begonnen, ein selbständiger Athlet zu werden. Er war mehr oder weniger die ganze Zeit eine „Puppe“, die sich auf Anweisung seines Trainers bewegt hat (natürlich nicht absichtlich in diesem etwas übertrieben formulierten Sinne, aber im Ergebnis schon). Für diesen Athleten war es normal, dass der Trainer ihm sagte, was, wann und wie viel etwas gemacht werden musste. Der Athlet wurde im Glauben erzogen, dass der Trainer am besten weiss, was am besten für den Athleten ist. Der Athlet selbst hatte sich nicht darum zu kümmern.
Zweitens, ein Trainer, für den es normal ist, dass Athleten „seine Athleten“ sind, die machen, zu was er sie anweist.
Das mag funktionieren, wenn der Trainer von absoluter Spitzenklasse auf seinem Gebiet ist (technisch, pädagogisch und psychologisch) und wenn sein Athlet wie ein Roboter die Anweisungen seines Trainers auszuführen in der Lage ist.
Wenn der Trainer aber nicht für jedes sich einmal stellende Problem eine Lösung parat hat, dann bekommt die Leistungskurve des Athleten einen Knick, weil der Athlet es verpasst hat, auch selbst für sich verantwortlich zu sein und mitzudenken – und in Situationen, in welchen sein Trainer nicht mit ihm weiterkommt, möglicherweise in der Lage wäre, selbst eine Lösung zu finden.
Wenn der Trainer nicht von absoluter Spitzenklasse ist, wird der Athlet nie zur Erkenntnis über die Unzulänglichkeit seines Trainers und seiner selbst gelangen, weil der Athlet nie damit begonnen hat, selbst über Stabhochsprung nachzudenken.
Sagen wir einmal, dass 5 von 100 Stabhochsprung-Trainer die Qualität haben 95% des Potentials eines Athleten zu realisieren. Die Athleten der anderen 95 Trainer werden dieses Potential entsprechend nie erreichen, wenn sie nicht an irgend einem Punkt beginnen, sich um sich selbst zu kümmern (und dabei vielleicht auch den Trainer wechseln). Weiter werden die Athleten, die bei den 5 sehr guten Trainern trainieren nie 99% oder 100% ihres Potentials erreichen, wenn auch sie nicht ihren Teil dazu beitragen, indem sie sich in den Prozess einbringen.
In einer Athlet-Trainer-Beziehung wie vorstehend aufgezeigt, hört man Sätze wie: „Mein Trainer sagt, es ist wichtig, dass ich……“ „Mein Trainer will, dass ich…..“
Es ist nichts falsch an solchen Sätzen, wenn sich der Athlet in der Anfängerphase 1 befindet. Aber, wenn man solche Sätze von einem Athleten hört, der sagen wir einmal schon 8 Jahre Stabhochsprung springt, dann haben wir ein Problem. Dieser Athlet sollte vielmehr Dinge sagen wie: „Mein Trainer und ich arbeiten an….“ „Mein Trainer sagte mir, ich solle mir über …. Gedanken machen und ich sehe seinen Punkt, muss aber für mich herausfinden, ob das für mich auch passt.“ „Ich sagte meinem Trainer, dass ich mehr an diesem Teil des Sprunges arbeiten will und er antwortete mir…., worüber ich mir einmal Gedanken machen muss.“
In Einzelsportarten (Leichtathletik, Tennis u.a.) muss der Athlet im Verlauf seiner Karriere zur Führungsperson über seine eigene Entwicklung werden. Es ist nur in Phase 1 umgekehrt. In Phase 2 findet der Übergang statt. In dieser Phase findet man heraus, ob die Sache in die richtige Richtung geht.
Trainer mögen „Stars“ sein, gemessen daran wie gut sie als Trainer in ihrer Sportart sind, aber ein Athlet in Phase 3 muss sich selbst immer als der wichtiger Part sehen, als den grösseren „Star“ als sein Trainer. Es geht um ihn, nicht um seinen Trainer. Der Trainer wird nämlich nie die Person sein, die unten auf der Bahn steht, wenn es im dritten Versuch um Gold geht. Der Trainer führt den Athleten heran, bereitet ihn auf solche Momente vor.
(Das ist anders bei Team-Sportarten, wo der Trainer entscheidet, wer spielt und nach welcher Taktik gespielt wird. Hier muss der Trainer der Leader sein und muss der anerkannte „Star“ des Teams sein, damit seine Spieler ihm folgen.)
Ein Trainer verliert nicht seine Funktion (oder sein Selbstbewusstsein oder seinen Rang), wenn sein Athlet der Leader ist. Der Trainer ist jemand, der eine Idee hat, wie er das Beste aus einem Athleten rausholen kann und er erzählt dem Athleten, wie er das machen würde. Das bleibt immer so unabhängig davon, ob es sich um einen Anfänger oder Mondo Duplantis, Renaud Lavillenie oder Roger Federer handelt. Auch für diese Stars bleibt ihr Trainer wichtig. Diese Top-Sportler kümmern sich um sich selbst, sie hören ihren Trainern zu und denken darüber nach, was ihnen ihre Trainer sagen. Sie vergleichen die Hinweise ihrer Trainer mit ihrer eigenen Erfahrung und ziehen ihre Schlüsse daraus. Wenn solche Sportler den Trainer wechseln, müssen sie keine grosse Veränderung vornehmen, weil sie dieselbe selbständige Person bleiben und nur der „Berater“ wechselt, mit dem sie ihre Gedanken austauschen können. Wenn hingegen ein Stabhochspringer von seinem Trainer abhängig ist, dann wird er bei einem Trainerwechsel nicht mehr gleich hoch springen oder es wird zumindest eine Zeit lang dauern, bis der neue Trainer alles richtig erfasst hat.
Das Selbstverständnis eines Trainers ist es, ein Begleiter seiner Athleten zu sein. Es ist wie Eltern sein. Zuerst muss man den Jungen ein paar Jahre lang alles beibringen (Phase 1), danach lehrt man sie, wie man seinen eigenen Weg im Leben findet (Phase 2) und auch wenn sie erwachsen geworden sind, bleibt der elterliche Rat immer wichtig für sie, aber sie handeln selbständig (Phase 3).